Bereits zum 22. Mal hat am vergangenen Freitag im Rahmen der Ferienmesse St. Gallen in den Hallen der OLMA Messen der St. Galler Touristikertag stattgefunden. Ein Stelldichein der VIPs aus den Chefetagen der Schweizer Touristikunternehmen und der wichtigsten Zulieferern aus der Branche.
Nach der Begrüssung durch den Organisator Rolf Brun von der OLMA Messe und dem Tagesmoderator Beat Eichenberger von der Fachzeitschrift “travel manager” wurde der Anlass offiziell eröffnet mit der Keynote-Präsentation von Peter Müller, dem Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL). In seinem Referat unter dem Titel «Luftfahrt: Segen oder Sorge für den Tourismus?» beleuchtet er die Bedeutung des Luftverkehrs in der Schweiz, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre und die Vorhersagen für die nahe und mittlere Zukunft. Aktuelle Studien gehen dabei davon aus, dass der Luftverkehr am Flughafen Zürich spätestens 2020 an seine Kapazitätsgrenzen stossen wird.
In der anschliessenden Arena-Runde zum Thema «Zukunftsstrategie zwischen Wirtschaft und Politik» diskutierten unter der Leitung von Urs Hirt (Travel Inside) dann Stefan Conrad (COO Flughafen Zürich), Thomas Frischknecht (CEO Belair Airlines), Karl Kistler (Direktor Edelweiss Air), Peter
Müller (Direktor BAZL), Jürg Rämi (Direktor Euroairport) über den Einfluss des Nachtflugverbots für Flughäfen und Airlines, Kapazitätsengpässe, die SWISS-Abwanderungsdrohungen von Harry Hohmeister und die aktuellen heissen Dossiers im Flugverkehr: Die gemeinsame Europäische Flugsicherung – das Deutsche Anflugregime sowie die Ausbaupläne für den Flughafen Zürich. Die Frage, ob der Bund zukünftig zulasten der Kantone und Gemeinden mehr Einfluss auf die Entwicklung am Flughafen Zürich erhalten soll, blieb unbeantwortet im Raum stehen, wird aber die Politik in den nächsten Monaten definitiv noch beschäftigen. Ob bereits wieder Gespräche zwischen Deutschland und der Schweiz stattfinden, wollte Peter Müller weder bestätigen noch dementieren. Und schon gar nicht, ob sich allenfalls eine Lösung abzeichne. Bei den Prognosen für die Zukunft war man sich in der Runde einig, dass die Modelle auf dem Tisch liegen und nun die Politik gefordert sei.
Nach einem kurzen Umbau auf der Bühne lud Linda Panchyrz (travel manager) zum Talk mit dem Titel «Reisebürolehre auf dem Prüfstand». André Lüthi (Chef Aus- und Weiterbildung SRV) diskutierte dabei mit Stefanie Rieger (Personalchefin Kuoni Reisen Holding) und Rainer Schenkel (COO TUI Suisse) über die vergangen KV-Reform und den geplanten Umbau des Lehrgangs für Reisebüro-Lehrlinge sowie die Schwierigkeiten gut ausgebildete junge Leute in der Branche zu halten. Stefanie Rieger merkte an, dass die Anforderungen von Kuoni an die Ausbildung weder in der aktuellen noch zukünftigen Form abgedeckt seien, und dass Kuoni auch bei der Ausarbeitung nicht konsultiert worden sein. Dies soll aber im nächsten Durchgang noch geschehen, versprach Beat Knecht (SRV) und André Lüthi machte darauf aufmerksam, dass es durchaus noch Spiel- und Freiraum für Anpassungen geben würde. Zum Nachdenken Anlass gibt die Tatsache, dass es zwar problemlos möglich ist, Interessenten für die Ausbildungsplätze zu finden und diese zu besetzen aber ein überdurchschnittlich grosser Teil die Branche in den ersten Jahren nach der Ausbildung wieder verlässt. Anstatt dieses Problem anzugehen und damit unter anderem auch die Lohndiskussion zu führen, sucht man gemäss den Anwesenden lieber in alternativen Branchen (z.B. Detailhandel) nach motivierten Quereinsteigern. Und die sollen dann extrovertiert sein, technologie-affin und über ein gutes Netzwerk verfügen. Meiner Ansicht nach genügen in Zeiten des Internets nett lächeln und freundlich die Türe aufhalten definitiv nicht mehr – neben den oben erwähnten Punkten dürften Beratungskompetenz und Destinations-Knowhow wieder bedeutend mehr gefragt sein. Aber ist die Branche auch bereit, dafür zu bezahlen?
Nicht im Programm und deshalb sicher für die meisten Anwesenden eine Überraschung war die kurzfristig anberaumte Ehrung des aus gesundheitlichen Gründen abtretenden SRV-Präsidenten Hans Jörg Leuzinger. In einer kurzen Laudatio dankte André Lüthi im Namen der SRV-Kollegen aber auch der gesamten Branche für die geleisteten Dienste und den tollen Einsatz in den vergangenen 10 Jahren.
Die folgende Pause wurde von den rund 300 Anwesenden genutzt, um die Themen des ersten Teils nochmals zu vertiefen oder ganz einfach, um das Netzwerk zu pflegen und alte Bekanntschaften aufzufrischen und neue zu knüpfen. Für den TravelBrain-Partner, Michele Aggiato, hiess es zu diesem Zeitpunkt konzentrieren, gut Luft holen und die Themen und Argumente für die Diskussionsrunde am Nachmittag nochmals rekapitulieren.
Eingeleitet wurde der zweite Teil der Veranstaltung mit einem Referat von Andreas Dietrich (VR Online Travel) mit dem Titel «Verschläft die Reisebranche die Entwicklungen im Internet?» Die Frage, die sich die Branche schon vor 5 Jahren hätte stellen sollen, beantwortete Andreas Dietrich mit einem klaren Ja. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und verbannte etwas provokativ gleich die Tour Operator und Retailer gemeinsam, als akut gefährdet, aufs Sterbebett. Seine Aussagen untermauerte der IT-Experte mit nicht mehr ganz aktuellen Besucherzahlen auf den Seiten der grossen Online-Reisebüros und den traditionellen Anbietern und weiteren Erkenntnissen zur Internet-Nutzung rund um die Reisebuchung.
«Wie Social Media und Smartphones die Reisebranche verändern» war dann das Thema in der folgenden Arena-Diskussion mit Michele Aggiato (Partner Travelbrain und Country Manager Zoover Italia), Andreas Dietrich (Verwaltungsrat Online Travel), Benno Iten (CIO Kuoni Reisen Holding), Martin Rechsteiner (Geschäftsführer Müllener Touristik Herisau) und Roland Zeller (Managing Director Travelwindow). Moderiert wurde die Gruppe von Chris Probst (Travel Inside). Gleich mit einem Paukenschlag legte Michele los, indem er in Frage stellte, ob Andreas Dietrich als IT-Experte die richtige Wahl für ein Referat zu den Veränderungen im Internet gewesen sei. Es gehe bei den aktuellen Entwicklungen um Menschen und deren Netzwerke und nicht mehr um Hardware und Bandbreiten. In den rund 30 Minuten konnte von den angedachten Themen natürlich nur einige gestreift werden. Trotzdem entwickelte sich eine rege Diskussion rund um Facebook, Twitter und Co. Roland Zeller sieht, nach einigen fruchtlosen Gehversuchen mit Twitter, die Zukunft der Branche vor allem in der Nutzung von Facebook. Ob dabei auch die von Benutzern generierten Inhalte von travelfeedback.ch oder Anbietern wie Zoover, HolidayCheck und TripAdvisor noch weiter eingebunden werden, wird sich zeigen. Bei der Frage nach Facebook-, Twitter- und Foursquare-Accounts im Publikum gingen zwar einige Hände hoch, es war aber doch klar zu sehen, dass die Führungsriege der Schweizer Reisebranche sich immer noch nicht wirklich intensiv auf das Thema eingelassen hat. Ein Rückstand der eventuell schwierig aufzuholen sein wird. Gefragt nach den Erfahrungen mit “Meine-Agentur.ch” und deren Social Media Aktivitäten zeigte sich Benno Iten von Kuoni ganz zufrieden mit dem bisher Erreichten. Dass sich diese Aktivitäten aber immer mehr auf die aktive Bewerbung von Sonderangeboten beschränkt, hat er vermutlich bewusst, verschwiegen :-). Dafür ist Kuoni in der Zwischenzeit auch auf Twitter präsent und versucht auch schon ganz gut mit Kunden und Partnern. Noch etwas unschlüssig in welche Richtung er mit Müllener Touristik im Internet gehen soll, zeigte sich Martin Rechsteiner. Als Vorbereitung für die Diskussion habe er sich aber schon mal ein Facebook-Konto zugelegt. Ob der traditionelle Offliner also plötzlich auch Online zum bevorzugten Partner für seine Kunden wird, werden wir in den nächsten Monaten verfolgen können. Zum Schluss meinte Roland Zeller dann, dass es in Zukunft vermutlich keine reinen Online- oder Offline-Player geben werde. So agiere travel.ch heute vermehrt mit Print-Werbung und Call Center und die traditionellen TOs verstärkten Ihre Aktivitäten im Web massiv. So wachse zusammen, was zusammen gehöre.
«Hans Lerch – Wohin führt die Hotelplan-Reise?»
Beim letzen Programmpunkt und Höhepunkt der Veranstaltung bat Beat Eichenberger den Branchen-Titanen Hans Lerch auf dem “Heissen Stuhl” Platz zu nehmen. Kurzweilig führte Beat Eichenberger den aktuellen Hoteplan Group CEO durch dessen Stationen bei Kuoni und SR Technics und griff dabei das eine oder andere Highlight heraus. Gewohnt süffisant und schlagfertig stand Lerch Rede und Antwort und versuchte immer wieder Eichenberger aus dem Konzept zu bringen. Seitenhiebe auf seinen ehemaligen Arbeitgeber Kuoni und die Ex-Kollegen durften natürlich auch nicht fehlen. Selbstverständlich kam dann auch die aktuelle Station bei der Hotelplan Group nicht zu kurz. Auf die Frage, was denn die Migros von Hotelplan erwarte, meinte Lerch dass im Gegensatz zu anderen Modellen hier nicht die Gewinn-Maximierung im Vordergrund stehe. Die Migros wolle aber mit Hotelplan auf jeden Fall kein Geld verlieren. Bescheidene Ansprüche des Orangen Riesen an die Reisetochter :-). Ob und wann Thomi Stirnimann seine Nachfolge antreten werde, wollte Lerch dann lieber nicht beantworten. Sehr lange werde er selber das Amt aber nicht mehr bekleiden. Da sind wir doch gespannt auf die kommenden Entwicklungen bei Hotelplan.
Weitere Fotos vom St. Galler Touristikertag gibt es hier.
Eine hervorragend Plattform zum “netzwerken” und zu interessanten Gesprächen bot der anschliessend offerierte Apéro und die Verleihung des Awards für die “Travel Manager Personality of the Year”. Ausgezeichnet mit dem diesjährigen Preis wurde beim dritten Anlauf Werner Twerenbold. Herzliche Gratulation vom TravelBrain-Team. Natürlich gibt es dazu auch schon einige Fotos.
Und anschliessend hat sich ein Teil der Anwesenden (inkl. den Schreiberlingen) noch in Richtung Seeger Lounge für den sinnvollerweise am gleichen Abend stattfindenden IAWA (Insider After Work Apero) verschoben. Mehr darüber und und bereits erste Bilder vom Anlass gibt auf den Seiten von Travel Inside.
An dieser Stelle möchten wir uns bei den Organisatoren des SGTT für die Einladung zur Teilnahme an der Diskussion bedanken. Wir sind überzeugt, dass uns die Themen noch lange nicht ausgehen und viele davon in den Social Medias intensiv weiterdiskutiert werden. Unser Blog steht dazu allen für Kommentare oder Gastbeiträge zur Verfügung.
Adrian Matt und Michele Aggiato für TravelBrain
Fotos: Adrian Matt und Travel Inside/travel manager