Daniel Wittwer und sein Team bei Finass Reisen in Wetzikon setzen wieder einmal ein Zeichen im lokalen Business Travel Markt. Als erster Geschäftsreisenspezialist in der Schweiz und vielleicht sogar in Europa hat Finass die NDC-Lösung der Lufthansa-Gruppe voll in die eigene Prozesslandschaft eingebunden. Damit hat Finass auch weiterhin Zugriff auf die im GDS nicht mehr verfügbaren Light-Tarife und das sogenannte Continuous Pricing von Lufthansa, Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines. Doch die NDC-Anbindung hat auch Ihre Tücken.
Die NDC-Anbindung im Livebetrieb
Letzte Woche hatte ich die Möglichkeit, mir die Lösung vor Ort mit Daniel Wittwer und seinem Team anzuschauen und über die Vor- und Nachteile zu diskutieren.
Der Einstieg in die neue NDC-Welt erfolgt über die partner-spezifische Startseite von Farelogix Sprk. Die Seite präsentiert sich in einem nicht ganz aktuellen Webdesign mit verschiedenen Eingabemasken für die Flugsuche und die Tarifabfrage. Nach der Auswahl eines Reisenden und dem dazugehörigen Firmenprofil können entsprechende Abfragen gestartet werden. Für die GDS-Native Enthusiasten ist auch ein Amadeus Host-Window mit im Angebot. Das kann allerdings aktuell nur für die Suche nach Flügen verwendet werden. Eine Übernahme in den grafischen Farelogix-Prozess ist dafür bisher nicht aufgesetzt. Annullationen, Umbuchungen und die Stornierung von ausgestellten Tickets sind übrigens problemlos möglich. Zudem natürlich auch die Reservation von Sitzplätzen, Gepäck und einigen weiteren Zusatzleistungen. Soweit eine ganz nette Lösung aber sicher nicht unbedingt effizient. Bisher einziger Vorteil der NDC-Anbindung ist die Verfügbarkeit der Tarife.
Bei der Effizienz setzt nun die Lösung von Finass an. Um diese nicht in den Keller rutschen zu lassen, wurde in Zusammenarbeit mit Hotelplan HIT und dem Profilmanagementsystem Umbrella Faces von Umbrella/Midoco eine vollkommen integrierte Lösung entwickelt. So werden alle Kundenprofile laufend auch mit Farelogix synchronisiert und stehen mit allen notwendigen Angaben für die Buchung zur Verfügung. Nach Abschluss der Buchung und der Ausstellung des Tickets in Farelogix wird diese ins HIT Mid-/Backoffice System übernommen und steht damit für alle Folgeprozesse (Approval, Invoicing, Reporting, Duty of Care etc.) uneingeschränkt zur Verfügung. Übrigens, das Ticketing erfolgt weiterhin bei Finass und über BSP. Ob das auch weiterhin so bleibt, ist eher ungewiss. Soweit so gut. Es gibt aber auch durchaus kritische Aspekte. Für die Mitarbeitenden von Finass bedeutet dieser Setup, dass je nach Anforderung des Kunden immer wieder zwischen den System und Prozessen hin und her gewechselt werden muss. Also noch weit von einer optimalen Lösung entfernt. Aber ganz sicher ein guter Ansatz um durch die NDC-Anbindung weiterhin Full Content anbieten zu können.
Was folgt nach der Lufthansa-Gruppe?
Was heisst das nun, wenn weitere Airlines den selben Weg einschlagen wie die Lufthansa-Gruppe? Daniel Wittwer geht davon aus, dass in diesem Fall im TMC für jede Airline oder Gruppe ein separater Zugang via Farelogix oder andere Anbieter notwendig sein wird um deren Portal zu erreichen. Wenn zumindest die Standards für die Daten die gleichen bleiben, dann ist die Übernahme in die Finass-Prozesse gewährleistet. Falls nicht, dann müssen Anbindungen immer wieder neu konfiguriert werden. Einen spannenden Weg scheint hier Air France/KLM einzuschlagen. Aus gut unterrichteter Quelle heisst es, dass AF/KL dem TMC/Reisebüro ab Herbst die Wahl des Kanals für die Nutzung des NDC Contents überlässt. Der Kunde kann wählen, ob das wie bisher das GDS (Amadeus, Travelport, Sabre) sein soll oder zum Beispiel Travelfusion, Hitchhiker oder andere genutzte Kanäle. Ein interessanter Ansatz mit bedeutend mehr Flexibilität im Prozess.
In Zusammenarbeit mit Umbrella und Hotelplan HIT hat Finass sicher einen ersten, wichtigen Schritt unternommen um Kunden weiterhin das komplette Angebot der Lufthansa-Gruppe vermitteln zu können. Ob dafür vom Kunden, trotz erhöhtem Aufwand, mehr verlangt werden kann, darf durchaus angezweifelt werden.
“Da wo bisher Incentives bezahlt werden, werden künftig Rechnungen ausgestellt”
Wo stehen die Mitbewerber von Finass bei diesem Thema? Die Ableger der grossen TMCs (BCD, CWT, Amex GBT, Egencia und FCM) hierzulande warten auf die Entwicklungen aus eigenem Haus und zählen auf die Mitwirkung der eigenen Teams in den gemeinsamen Projekten mit Amadeus, Travelport und Sabre. Stand heute werden aber von den “Grossen” entweder gar keine Light-Tarife mehr verkauft oder es wird eher widerwillig über Agenten-Portale, Broker oder Airline-Webseite gebucht. Und die lokalen Geschäftsreisenanbieter und Reisebüros nutzen Sprk von Farelogix und die oben erwähnten Tools ohne Anbindung an Mid-/Backoffice oder warten noch zu und hoffen auf brauchbare Lösungen der GDS-Anbieter um weiterhin im Markt bestehen zu können.
NDC und das TMC/Reisebüro Businessmodell
Das NDC-Thema nimmt damit auch im Vertrieb weiter Fahrt auf. Es kann darauf gehofft werden, dass in einigen Monaten weitere brauchbare Lösungen rund um die NDC-Anbindung im Markt verfügbar sein werden. Damit erreicht man im Vertrieb vielleicht wieder den gleichen hohen Automatisierungsgrad, wie vor dem Beginn der NDC-Umsetzung bzw. der neuen Vertriebsstrategien der Airlines. Vor allem die Corporate-Kunden würden es begrüssen, wenn sich Airlines und TMCs wieder auf einen qualitativ hohen Service und transparente Preise fokussieren würden. Allen Ansätzen gemeinsam ist, dass über kurz oder lang die bewährten Businessmodelle auf den Kopf gestellt werden. Da wo bisher Incentives bezahlt werden, werden zukünftig Rechnungen ausgestellt. Bezahlen werden dafür im Endeffekt die Firmen mit Ihren Reisenden – auch wenn die Message der IATA und der Fluggesellschaften natürlich eine andere ist.
Und übrigens, wir beraten sowohl TMCs, Reisebüros als auch Firmen gerne zum Thema NDC und möglichen Lösungen für eine Anbindung. Sprecht uns einfach darauf an.
Was sind Eure Erfahrungen mit der NDC-Anbindung? Sind schon Lösungen im Einsatz oder seid Ihr noch auf der Suche?
Adrian Matt für travelBrain