“Mobile Travel” – mehr offene Frage als Antworten?
Treffender hätte der Titel meiner diesjährigen Session am 7. Schweizer Travel Management Forum vom 12. September im Radisson Blu am Flughafen Zürich gar nicht sein können! Für das Thema selbst und die Abhandlung auf der Bühne waren die Fragen eigentlich beantwortet. Da sich aber mit Jens Tackmann von Concur einer der Gesprächspartner in der Session zwei Tage vor dem Anlass eine Sportverletzung zuzog, stellten sich die Fragen: was den nun? – wer den jetzt? – eventuell vielleicht gar nicht? Zum Glück erklärte sich dann aber Bruno Guggenheim dazu bereit, die Concur Lücke zu füllen und sich kurzfristig ins Thema einzulesen. Also nichts wie hin ins Radisson Blu, wo sich gleich die nächste Frage auftat: Was machen die vier Anschlüsse für iPad, iPhone, Galaxy SII und den Laptop am Technikpult? Die hätten wir doch auf der Bühne gebraucht! Per Techniker-Notfalleinsatz kurzerhand Kabel gezogen und zumindest zwei Anschlüsse am Rednerpult befestigt. Pfffff und ein Riesen-Gefummel mit Umstecken!
Aber blenden wir erst einmal zurück auf das 7. STMF vom vergangenen Mittwoch.
Pünktlich um 09.30 begrüssen Beat Eichenberger vom Organisator Business Traveltip und Hans-Ingo Biehl vom VDR die rund 150 Teilnehmer aus dem Travel Management und der Reisebranche im Kongress-Saal des Hotel Radisson Blu am Flughafen Zürich. Mit der Aussage
“Die Anzahl der Geschäftsreisen nimmt zum, der Sparkurs wird in den Firmen fortgesetzt und Euphorie ist wegen der Eurokrise keine auszumachen”
leitet Biehl über zum ersten Programmpunkt.
Keynote-Referat von Louis Arnitz
Unbundling und Ancilliary Fees im Umfang von rund 20 Mia Euro werden bis Ende 2012 von den Airlines auf der Einnahmenseite verbucht. Damit startet Louis Arnitz, Vorstandsvorsitzender von i:FAO in sein Einführungsreferat. Und das sei erst der Anfang und wer darauf hoffe, dass das Aufsplitten der Tarife und der Verkauf von Zusatzprodukten und -dienstleistungen wieder verschwinde, sehe der Realität ganz einfach nicht ins Auge. Im Gegenteil, die Fluggesellschafen werden immer weitere Wege finden um eine noch grössere Rolle im Reisevertrieb zu spielen. Zum Beispiel mit dem Verkauf von Hotels, Versicherungen, Mietwagen, Stadtrundfahrten, Reisegepäck und so weiter. Auch die Hoteliers und Mietwagenfirmen sind bereits auf diesen Zug aufgesprungen und reduzieren die Basispreise um dann möglichst bei den Zusatzverkäufen abzuschöpfen. Transparenz und Vergleichbarkeit stehen dabei bei den Anbietern weit unten auf der Prioritätenliste. Ganz anders bei den Corporates – diese sind darauf angewiesen, dass Tarife und Zusatzkosten vergleichbar sind um sauber planen und Reiserichtlinien festlegen zu können. Eine Herausforderung für die Travel Management Companies (TMCs), die GDSs und die Online Booking Engines. Total Cost of Trip ist hier das Zauberwort.
Unbundling-Druck der Airlines – und wer trägt die Folgen?
Bild: Business Traveltip |
Total Cost of Trip – damit tut sich Michael Flück, Global Travel Manager bei ABB besonders schwer. Die Airlines und damit auch die Swiss, vertreten durch Rudolf Schumacher, Managing Director Sales & Marketing Switzerland, seien gar nicht mehr interessiert daran, diesen Wert verfügbar zu machen und zeigen damit, dass die Firmen nicht mehr als Partner sondern nur noch als “Cash Cows” wahrgenommen werden. Ein brisanter Einstieg in die von von Beat Eichenberger moderierte Podiumsdiskussion. Die Vergleichbarkeit solle mit Direct Connect, Channel-Pricing (z.B. iPhone vs. Android) und Traveler Identifikation sogar bewusst verhindert werden, meint Louis Arnitz. Die technische Möglichkeit, Angebote wie Zusatzgepäck, Speedy Boarding und Specials Seats und weitere für den Handel verfügbar zu machen bestehe bereits, erklärt Cornel Küng, General Manager Switzerland, Amadeus Marketing den Zuhörern. Die Regale stehen bereit – würden aber von den Fluggesellschaften nur ganz zögerlich mit Inhalten gefüllt. Und genau deshalb steigt die Komplexität für die TMCs ins Unermessliche. Wie soll es ein Reisebüro-Mitarbeiter heute noch schaffen, seinem Firmenkunden das beste Angebot unter Berücksichtigung aller Add-ons zu vermitteln? Stark zunehmende Komplexität und anstehende Investitionen in technische Lösungen und das bei weiterhin sinkenden Transaction Fees fasst Beat Bürer, Managing Director, HRG Europe Central die Thematik zusammen.
Und damit geht es dann in die erste wohlverdiente Kaffeepause. Gesprächsstoff gibt es schon genug. Zum Beispiel, dass die Ancilliary Fees bei ABB schon 15 – 30% der gesamten Trip Costs ausmachen oder dass die Swiss Premium Carrier bleiben wird und möglichst wenig Unbundling betreiben wolle, ausser wenn…… der Markt das verlange! :-).
Megatrend Mobile-Travel – mehr offene Fragen als Lösungen?
Nach dem Technik-Schock vom Morgen hiess es für meine Gesprächspartner und mich jetzt verkabeln und die reduzierte Anzahl Anschlüsse auf der Bühne zu testen. Die 30 Minuten reichten gerade aus, um alles zum Laufen zu bringen.
Steffen Kuebler, FIA |
Nach einem kurzen Rückblick auf den Hype rund um die Apps im Jahr 2010 und der Beleuchtung des Security Aspekts im vergangenen Jahr durfte ich an Steffen Kuebler von der FIA und den kurzfristig eingesprungenen Bruno Guggenheim von Concur übergeben. In den folgenden 40 Minuten zeigten die beiden Herren dem Publikum, dass es tatsächlich schon umfassende, integrierte Lösungen gibt, die sich auch im Live-Einsatz befinden. Von der Flugbuchung unter Berücksichtigung der Travel Policy, der Gehnehmigung durch den Vorgesetzten, dem ausführlichen Reiseplan, die Möglichkeit Umbuchungen zu tätigen und Reisende und Mitarbeiter im Bedarfsfall zu lokalisieren, hin bis zur Reisekostenabrechnung . alles aus einem Guss. Nicht bei allen Prozess-Schritten macht die mobile Nutzung Sinn – da ist dann auch das perfekte Zusammenspiel mit der Webapplikation wichtig. Mit Concur hat die FIA gemäss Steffen Kuebler einen Provider gefunden, der das Projekt in kurzer Zeit und unter Einbezug des TMC-Partners professionell umsetzen konnte.
Bild: Business Traveltip |
Der kurzfristige Ausfall von Jens Tackmann, die technischen Herausforderungen und das eine oder anderen fummelige Umstecken der eingesetzten Geräten machten es nicht ganz einfach, alles wie geplant darzustellen. Die Rückmeldungen zum Format waren dann aber doch ganz gut und wir konnten den Anwesenden einige “wow – das gibt es schon” entlocken.
Zum Abschluss unserer Session machte ich das Publikum noch darauf aufmerksam, dass das Ende der Fahnenstange bei den Entwicklungen noch lange nicht erreicht sei. Themen wie die Integration von Social Media, Buchung und Abrechnung von Zusatzleistungen, Check-in deep links und vor allem NFC und Mobile Payments werden uns noch lange beschäftigen. Neben den traditionellen Anbietern werden Firmen wie Google, Facebook und Apple immer mehr Zeichen setzen. Übrigens, am gleichen Tag hat Amadeus angekündigt , dass die Passbook-Funktionalität von Apple iOS 6 für Airlines im Amadeus Altea-System für Internet- und Mobile-Check-in schon zur Verfügung stehe. Mehr dazu im Artikel Apple is ready, so are we!
Breakout-Sessions
Beat Mathys, SwissRe |
Nach dem Mittagessen habe ich mich gemeinsam mit rund der Hälfte der Teilnehmer in die Session zum Thema “Sicherheit auf Geschäftsreise” gesetzt. Beat Mathys von SwissRe und Dominic Short von Traxess zeigten anhand von Beispielen, wo den heute auf Geschäftsreisen überall mit Risiken gerechnet werden muss und wie sich die SwissRe organisatorisch darauf eingestellt hat. Wichtige Instrumente sind dabei die rechtzeitige Information und Vorbereitung der Reisenden auf allfällige Gefahrensituationen vor Ort und klare Verhaltensempfehlungen. Mit dem Tool “Traveler Eye” von Traxess ist SwissRe jederzeit im Bild, wo auf der Welt sich die eigenen Reisenden befinden und kann diese auch jederzeit direkt kontaktieren.
Gleichzeitig fand in einem zweiten Raum ein Referat zur vermeintlichen “Lockvogel”-Funktion der diversen Vielflieger-Programme der Fluggesellschaften und ähnlichen Programmen diskutiert. Ravindra Bhagwanani, Geschäftsführer, Global Flight und Wolfgang Strasser, Director Strategic Account, HRG Germany schafften es, gemäss Aussagen einiger Zuhörer, spannende Information zu vermitteln und einmal mehr aufzuzeigen, dass noch lange nicht alle Firmen gleich mit dem Thema umgehen.
Reiserichtlinie – wie lassen sich damit Kosten einsparen und Prozesse optimieren?
Wieder zurück im Kongress-Saal trat Heiko Luft von EnBW mit schusssicherer Weste vor das Publikum: “Bei der Einführung einer neuen Travel Policy leben Travel Manager im eigenen Unternehmen gefährlich”. Und das insbesondere da, wo bisher kaum auf die Ausgaben geachtet worden ist. Humorvoll und mit anschaulichen Beispielen zeigt er auf, was sich bei EnBW in den letzten Monaten verändert hat, und wie mit Einsatz der internen IT-Abteilung die Prozesse für Genehmigung, Abwicklung und Abrechnung weitgehend automatisiert worden sind. Erreicht wurde damit, dass die, vorgängig von Michael Flück geforderte, Transparenz bei den totalen Tripkosten zumindest im Nachhinein dargestellt werden können. Und zur hohen Adaptionsrate bei den Online-Buchungen meinte Luft – man müsse dem Reisebüro einfach verbieten, onlinefähige Reservationen zu tätigen! Punkt! Aber immer daran denken, alles rechtzeitig mit dem Betriebsrat oder anderen Arbeitnehmervertretungen zu besprechen.
Reiserichtlinie − welche Rolle spielen die verschiedenen Prozessteilnehmer und welche Erwartungen haben die Travel Manager an die Partner?
Bild: Business Traveltip |
Nicht aus der Luft gegriffen ist dann in der anschliessenden Diskussionsrunde die Start-Frage von Mitorganisator Peter Schmid von BrainNet-KPMG nach dem Umfang der EnBW-Reiserichtlinie. Überraschend die Antwort von Heiko Luft: eine Seite! Ganz im Gegensatz – erst im Aufbau befindet sich das Travel Management und die Travel Policy bei der SBB. Stefan Horisberger beschäftigt sich als Leiter Geschäftsreisen gerade damit, die Erwartungen des Managements und der Reisenden unter einen Hut zu bringen und entsprechende Vorgaben zu erarbeiten. Mit im Vordergund stehen soll dabei auch die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter. Christian Rosenbaum, Manager Strategix Relations, i:FAO Group und Heiko Luft beleuchten anschliessend die Rolle der Supplier und der Technologie im Prozess und stellen die Forderung nach zentralen Standards in den Raum. Dass auch die TMCs in der Umsetzung der Richtlinie eine wichtige Rolle spielen, wurde zwar erwähnt, aber nicht weiter vertieft.
Leider gar nicht eingegangen ist die Rund auf bevorstehende Veränderungen im Bereich der Travel Policies wie sie gerade in den USA zur Zeit heftig diskutiert werden. Einen guten Überblick dazu kann man sich dazu im im Blog “Gillespie’s Guide to Travel+Procurement” in der Präsentation Managed Travel 2.0 von Scott Gillespie verschaffen.
Zusammenfassung & Verabschiedung
Die Organisatoren des Anlasses, Beat Eichenberger (Business traveltip), Hans-Ingo Biehl (VDR) und Peter Schmid (BrainNet) fassen das Gesehene und Gehörte noch einmal kurz zusammen und streichen dabei nochmals einige der Highlights heraus. Sie bedanken sich bei den Referenten, Sponsoren und Besuchern und laden alle noch zum abschliessenden Networking-Apéro ein.
Bild: Business Traveltip |
TravelBrain-Fazit
Trotz der eher unüblichen Herausforderungen bei der eigenen Session war der Anlass auch dieses Jahr einen Besuch wert. Die Themen waren interessant gewählt und der Mix, gemäss Aussagen von Teilnehmern, einer der besten der vergangenen Jahre. Die Zahl der anwesenden Travel Manager konnte leider nicht gesteigert werden – hier gibt es noch Einiges zu tun. Schade, dass die TMCs hier nicht mitspielen und Travel Manager der eigenen Kunden einbinden. Hat man hier eventuell Angst – die Travel Manager der Überzahl von Supplieren oder gar der Konkurrenz auszusetzen? Oder gibt es andere Gründe? Ich werde bei Gelegenheit mal nachfragen :-).
Für TravelBrain hat es gepasst und wir sind im nächsten Jahr hoffentlich wieder mit von der Partie.
Die ersten Fotos aus der Kamera der Organisatoren gibt es hier. Falls Ihr mit dabei wart, lasst uns wissen, wie es Euch gefallen habt. Auf Feedback und Kommentare hier im Blog, auf Facebook aber auch per Mail und Telefon sind wir natürlich gespannt.
Adrian Matt für TravelBrain
Bilder: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Business Traveltip
Weitere Artikel zum Thema:
Finass Business Travel Workshop 2012
6. Schweizer Travel Management Forum – 7. September 2011
5. Schweizer Travel Management Forum – 9. September 2010
4. Schweizer Travel Management Forum – 9. September 2009